"Wenig Hoffnung auf ein Ende des Chaos"

Veröffentlicht am 30.07.2013 in Veranstaltungen

Der in Kairo lebende Michael Wurche berichtet beim Kulturfrühstück der SPD Sillenbuch Heumaden Riedenberg

Artikel von Martin Bernklau, erschienen im Blick vom Fernsehturm vom 22.07.2013.

Seit gut 20 Jahren lebt er mit seiner zweiten Frau in Kairo. Davor vertrat Michael Wurche die Lufthansa als Repräsentant in vielen Ländern der Welt. Gestern morgen war er beim Kulturfrühstück der örtlichen SPD im Sillenbucher Atrium zu Gast. „Die ägyptische Revolution - Wie es begann - Wie geht es weiter“ , darüber wollte er in einem Vortrag mit vielen Bildern seine früheren Sillenbucher Genossen informieren.

Kaum jemand könnte das besser als Wurche, hat er doch sein Büro als Tourismus- Berater (nach seiner Pensionierung) nur ein paar Meter vom Tahrir-Platz entfernt, der vor zweieinhalb Jahren Schauplatz der Revolution war und auch jüngst wieder bei der Absetzung des gewählten Präsidenten Mohammed Mursi zum Schauplatz der Geschichte wurde.

Michael Wurche ist nicht nur ein wacher Geist mit weltweitem Erfahrungsschatz, er ist auch ein mitreißender Redner, der tiefen Ernst durchaus auch mal mit sprühendem Witz zu verbinden weiß. Und dazu liebt er Ägypten und sorgt sich deshalb um die Zukunft seines zweiten Heimatlandes. In Sillenbuch lebte er vier Jahre lang, nachdem er 1984 in Bolivien entführt und gegen Zahlung von zwei Millionen Dollar wieder freigelassenwurde.

Was allgemein als „ägyptische Revolution“ und Teil des „arabischen Frühlings“ bezeichnet wird, ist für Michael Wurche „ein Volksaufstand gegen die Diktatur Hosni Mubaraks gewesen. Es war keine Revolution. Denn die Strukturen sind geblieben.“ Auch die jüngsten Ereignisse nennt er beim Namen. Die Absetzung des ersten frei gewählten Präsidenten Ägyptens war ein Militärputsch, erneut nach einem Volksaufstand. „Das war aber richtig und gut. Ich bin froh, dass Mursi abgelöst wurde.“

Damit freilich sei keines der immensen Probleme Ägyptens gelöst: Überbevölkerung, Armut, Arbeitslosigkeit, ein schlechtes Gesundheitssystem, Analphabetismus bei der Hälfte der 84 Millionen Ägypterund schließlich die Spaltung der Gesellschaft, vor allem entlang religiöser Zuordnungen. Fanatische Islamisierung streben neben den radikalen Al Qaida-Leuten auch die Salafisten an, während es den Muslimbrüdern neben der Religionauchumwirtschaftliche Macht gehe. Pro-Forma- Moslems, Laizisten, Atheisten aber auch die zehn bis 15 Prozent christlicherKopten stünden auf der anderen Seite, dazwischen die Mehrheit moderater Moslems.

Den Aufstand gegen den alten Präsidenten Mubarak und sein System im Januar und Februar 2011 zeichnete Wurcheminutiös nach. Ausgegangen sei er von einer hochgebildeten Gruppe junger Leute, die sich Youth Coalition nannte und über soziale Netzwerke organisierte. Sie hatte sich gegründet, nachdem der junge Informatiker Khaled Said, „das Gesicht der Revolution“, im Polizeigewahrsam zu Tode geprügelt worden war. Zunächst hätte man nur „Frieden und Brot, das Ende des jahrzehntelangen Ausnahmezustands und den Rücktritt des verhassten Innenministers“ gefordert. Als aber am 1. Februar zwei Millionen Demonstranten den Tahrir-Platz besetzten und Teile des Militärs sich von Mubarak abwandten, musste der Diktator zehn Tage später zurücktreten.

Hoffnung auf ein absehbares Ende des Chaos in Ägypten hat Michael Wurche kaum, im Gegenteil. Er engagiert sich aber weiter und bat die Sillenbucher Parteifreunde und Gäste im voll besetzten Saal um Spenden zur medizinischen Hilfe für schwerstverletzte Demonstranten. Der Aufstand von 2011 hatte nach offiziellen Angaben 846 Tote und 6500 Verletzte gekostet. Die Gewalt geht auch nach der Absetzung Mursis weiter.

 

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